Berlin - Ecke Schönhauser

DEFA 1959, 108 Minuten

Regie: Gerhard Klein

Darsteller: Ekkehard Schall ( Dieter), Ilse Pagé (Angela), Ernst-Georg Schwill (Kohle), Harry Engel (Karl-Heinz Erdmann), Raimund Schelcher (VP-Kommissar), Helga Göring (Angelas Mutter), Erika Dunkelmann (Kohles Mutter), Maximilian Larsen (Kohles Stiefvater)

Zu Hause herrscht bedrückende Enge. Kohle wird regelmäßig von seinem immer betrunkenen Stiefvater verprügelt. Angela muss die Wohnung verlassen, wenn die Mutter ihren Liebhaber empfängt. Karl-Heinz hat genug von seinen konservativen Eltern, die ständig davon reden in den Westen zu gehen, aber doch im Osten bleiben, weil sie zwei Häuser geerbt haben. Und Dieter kann die politischen und pädagogischen Kommentare seines Bruders nicht mehr hören. Und so suchen sich die Jugendlichen ihre eigene Freiheit und Geborgenheit und treffen sich täglich unter dem S-Bahnbogen Schönhauser Allee. Sie tanzen Rock 'n' Roll und für eine Westmark wirft Kohle auch schon einmal eine Laterne ein. Im Zentrum der Geschichte stehen Dieter und Angela, zwischen denen sich eine zärtliche Liebe entwickelt. Angela erwartet ein Kind von Dieter. Doch sie kommt nicht dazu es ihm zu sagen, denn Dieter und Kohle werden von Karl-Heinz in dunkle Geschäfte gezogen und nach einem vermeintlichen Totschlag müssen sie in den Westen der Stadt in ein Auffanglager flüchten. Eine Reise nicht ohne schmerzliche Erfahrungen.

Gerhard Klein und Wolfgang Kohlhaase ist mit »Berlin - Ecke Schönhauser« einer der wichtigsten Gegenwartsfilme der 50er Jahre gelungen, der genau den Puls der Zeit traf. Sie versuchten den sozialen Wurzeln für das Verhalten der Jugendlichen auf die Spur zu kommen und gingen dabei sehr differenziert vor. Der Film gestaltete ein Zeitthema, das sowohl im Osten wie im Westen Beachtung fand. Schon 1956 drehte Georg Tressler in Westberlin »Die Halbstarken« mit Horst Buchholz und Karin Baal, der einer ganzen Gattung von Filmen ihren Titel gab und an die sich »Berlin - Ecke Schönhauser« thematisch anschließt.

Von staatlicher Seite wurde der Film nicht so positiv gesehen. So mißbilligte die vorgesetzte Behörde, die Hauptverwaltung Film beim Ministerium für Kultur, »Berlin - Ecke Schönhauser« mit folgenden Worten: »Da wir den Film für ein Musterbeispiel einer neuen Form des Dogmatismus halten und da wir davon überzeugt sind, dass er schädlich auf unsere Menschen wirken wird, sind wir der Meinung, dass es unverantwortlich wäre ihn so zuzulassen (...). Ebenfalls verwunderte es uns sehr, warum man für die Rolle der Angela eine junge Westberlinerin verpflichtete, für deren Schauspiel-Nachhilfestunden wir Valutamittel zahlen mussten«. Doch bei einer Testvorführung im FDJ-Zentralrat kam der Film besser an. Der Filmkritiker der »Jungen Welt«, der spätere DEFA-Regisseur Günther Stahnke, resümiert: »Bei der Masse wird der Film richtig ankommen. Er wird ein Signal sein, mitzuhelfen.« Der Film wird schließlich widerwillig von der Hauptverwaltung zugelassen. Innerhalb von drei Monaten erreicht »Berlin - Ecke Schönhauser« über anderthalb Millionen Zuschauer.

Gerhard Klein, geboren am 01.05.1920 war eigentlich gelernter Trickfilmzeichner und kam über den Kurz- und den populärwissenschaftlichen Film zum Spielfilm. Die Gegenwartsprobleme spielten schon in seinen ersten Filmen eine Rolle. In Zusammenarbeit mit Wolfgang Kohlhaase drehte er 1954 den ersten seiner Berlinfilme, »Alarm im Zirkus«. Es folgten »Eine Berliner Romanze«, »Berlin - Ecke Schönhauser« und »Berlin um die Ecke«. Auch in seinen späteren Filmen spielten Berlin und die Teilung der Stadt immer eine Rolle. Gerhard Klein starb im Mai 1970, kurze Zeit nach Drehbeginn zu »Leichensache Zernick«, der dann später von seinem Assistenten Helmut Nitschke mit einer neuen Besetzung gedreht wurde.


Berlin - Ecke Schönhauser
04.12.03 - 10.12.03

Vortrag: »Mitten im kalten Krieg«, Ralf Schenk (Filmpublizist)

Publikumsgespräch mit dem Schauspieler Ernst-Georg Schwill